Crowdfunding im Journalismus- Erfolgsmodell oder Notlösung?

Kann in Zukunft mit Crowdfunding eine alternative Finanzierungsstrategie für Autoren, Journalisten und Verlage erschlossen werden? Dieser Frage widmete sich das dritte „co:funding“ Panel auf der re:publica12. Auf dem Podium diskutierte die Bestseller-Autorin und Bloggerin Anne Grabs mit der Gründerin des Kleinverlages „Kraut Publishers“ Andrea Kamphuis, dem Leiter von TAZ.de Matthias Urbach und Van Bo Le – Mentzel, Architekt und Autor des erfolgreichen Crowdfunding-Projekts „Hartz IV Möbelbuch“.

Die Diskussion zwischen den auf dem Podium vertretenen Akteuren offenbarte recht schnell, dass es bisher noch keine konsistent-positiven Erfahrungen mit Crowdfunding gibt. Van Bo Le-Mentzel’s enthusiastische Begeisterung für die Nutzung von Crowdfunding stand im deutlichen Kontrast zur zurückhaltenden Meinung von Matthias Urbach. Worin liegt der Grund für dieses Missverhältnis bei der Einschätzung der Potentiale von Crowdfunding im Journalismus- und Verlagsbereich? Ist es allein die geringe Erfahrung, die bisher mit diesem Finanzierungsinstrument gemacht wurde? Vielleicht. Vielleicht verbirgt sich dahinter aber auch ein strukturelles Problem.

Kriterien für den Erfolg

Alles beginnt bekanntlich mit einer guten Geschichte. Bei Van Bo Le-Mentzel waren es sein fehlendes handwerkliches Geschick und der Wunsch, seiner Verlobten trotzdem die Regale gerade an die Wand montieren zu können. So beschloss er, einen Tischlerkurs an einer Berliner Volkshochschule zu absolvieren, um bei seiner Zukünftigen zu punkten. Ein Brett aus dem Baumarkt und ein Wochenende bedurfte es, um für insgesamt 24,- € seinen eigenen Stuhl zu bauen. Le – Mentzel hatte seine Mission erfüllt – dabei blickt er vergnügt auf seinen Ehering –  und war nebenbei so stolz auf sein Werk, dass er es anschließend jedem seiner Freunde zeigte.

Screenshot der Crowdfunding-Aktion "Hartz IV Möbel Buch" auf startnext.de

Der Zuspruch von Seiten seiner Freunde für den “24€ chair” war dermaßen groß, dass Le – Mentzel noch einen Schritt weitergehen wollte. Der gelernte Architekt entschied sich, eine ganze Wohnung mit Hartz IV Möbeln zu gestaltet und diese als Ausstellung zu konzipieren. Um die 3000,- € für das Projekt aufzubringen, hat er es kurzerhand auf startnext.de veröffentlicht – und damit auch für die Mitwirkung der Crowd geöffnet. Als Dank wurde seinem ersten Crowdfunding-Projekt 175 Prozent der Projektsumme finanziert. Seine so gewonnenen Erfahrungen mit Crowdfunding, Crowdsourcing und Crowdmarketing haben Van Bo Le – Mentzel und verschiedene weitere Beteiligte nun in einem eigenen Buch veröffentlicht: Dem “Hartz IV Möbelbuch” – welches ebenfalls als Crowdfunding-Projekt konzipiert wurde und noch erfolgreicher wurde: 260 Prozent der gewünschten Projektsumme wurden von der Crowd finanziert.  Es finden sich dort natürlich auch Anleitungen zum Möbelbau, aber eigentlich ist es viel mehr: Es ist eine Einladung, den Weg des Projekterfolgs nachzuvollziehen und ebenfalls zu beschreiten.

Und wie das geht, verrät Van Bo netterweise in sieben Schritten, die im Lego-Prinzip verfasst sind. Man muss also nicht alle Schritte stoisch abarbeiten, der Erfolg könnte aber größer werden, je mehr Punkte das eigene Projekt erfüllen kann.

  • Schritt 1: Base
    Ein inspirierender Wertekanon, welcher von anderen geteilt wird, ist eine feste Basis für den Erfolg des Projekts.
  • Schritt 2: Chase
    Verbindet euer Projekt mit einer Geschichte. Was hat euch dazu bewegt, das Projekt anzufangen? Lasst eure Mitstreiter sich in der Geschichte wiederfinden.
  • Schritt 3: Face
    Gebt eurem Projekt einen griffigen Namen und kreiert ein ansprechendes Logo, welches eindeutig die Verbindung mit eurem Projektziel herstellt. Bestenfalls verfügt ihr auch über ein Gesicht, welches euer Projekt symbolhaft vertritt.
  • Schritt 4: Place
    Schafft einen festen Ort für euer Projekt, an dem die Crowd euch finden kann. Dass kann eine Website sein, aber auch eine Werkstatt oder die Kneipe um die Ecke.
  • Schritt 5: Trace
    Seid transparent und lasst eure Crowd an allen Schritten im Projekt offen teilhaben. Fehler und Probleme sind menschlich und sie können oft durch Transparenz und ein “Verzeihung, bitte” schnell gelöst werden. Sie zu verschweigen schafft hingegen nur neue Probleme.
  • Schritt 6: Space
    Schafft einen Platz für die kreativen Impulse aus der Crowd. Lass Menschen an eurem Projekt teilhaben und versucht einfach, euch nicht als Besitzer des Projekts zu verstehen. Partizipation schafft Vertrauen und erzeugt oft ein Vielfaches an kreativem Potential gegenüber hierarchischen Arbeitsstrukturen.
  • Schritt 7: Count the days
    Lasst euer Projekt immer ein Projekt bleiben. Mit einem klaren Anfang und Ende. So ist es eben, das Leben.

Crowdfunding – Nur eine Notlösung?

Auch wenn Matthias Urbach den Crowdfunding-Erfolg des “Hartz IV Möbelbuchs” nicht in Zweifel ziehen mag; eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Brauchbarkeit von Crowdfunding als nachhaltiges Finanzierungsmodell für Journalisten und Verlage war ihm deutlich anzumerken. Für ihn ist Crowdfunding mehr eine Notlösung und nicht ein neues Beteiligungskonzept.  Verlage, wie die TAZ, und Journalisten bräuchten grundsätzlich eine größere finanzielle Verlässlichkeit, welche durch Projektfinanzierung nicht allein gewährleistet werden könne. Zudem dürfe journalistisches Engagement sich nicht ausschließlich von den Vorgaben der Masse abhängig machen. Es bedürfe auch heute noch der Expertensicht und der Berufserfahrung eines stabilen Redaktionsteams, um qualitativ hochwertigen Journalismus zu erarbeiten. Schließlich dürfe man auch nicht  das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Journalist und Informationsgeber vergessen, welches durch zu viel Transparenz zerstört oder zumindest stark beschädigt würde. Crowdfunding und Journalismus sprechen seiner Meinung nach zwei unterschiedliche Sprachen, in Analogie zur Luhmannschen Systemtheorie, und können sich nicht wirklich verstehen.

Bleibt Crowdfunding also weiterhin nur eine Randerscheinung bei der Finanzierung von Journalisten und Verlagen? Vielleicht. Andrea Kamphuis machte in ihrem Beitrag darauf aufmerksam, dass es weiterhin der Selbstlosigkeit der Netzgemeinde und des Bildungsbürgertums bedürfe, um Crowdfundingprojekte erfolgreich umzusetzen. Eine gewachsene Mentalität des Gebens sei, trotz aller positiven Erfahrungen, gesellschaftlich noch nicht sehr verbreitet. Der Konsument, und nicht der Prosument, bestimme gegenwärtig immer noch die Erwartungen und das Verhalten der Unternehmen im Netz, zu denen natürlich auch die Verlage gehören.

Vielleicht bleibt Crowdfunding aber auch nicht ein Nischenphänomen. Vielleicht hängt es mal wieder nur davon ab, in welcher Struktur und mit welchen Zielen man denkt und handelt. So lange Journalisten und Verlage in den Strukturen der analogen Welt des 20. Jahrhunderts denken, arbeiten und ihr Geld verdienen wollen, so lange werden ihnen die Möglichkeiten von Crowdfunding, Crowdmanaging und Crowdsourcing als Gefahr für ihre eigene Existenz erscheinen. Und das auch dann noch, wenn sie aus der Not heraus selbst mit einer digitalen Publikation im Netz vertreten sind. Die Chancen und Möglichkeiten, welche sich aus der digitalen Welt ergeben, werden hingegen bisher oft nur im Rahmen der traditionellen Strukturen genutzt; um deren Niedergang abzubremsen und die neue Struktur in die Zwangsjacke des Vergangenen zu zwängen.

Crowdfunding ist also nicht per se ungeeignet für die langfristige Finanzierung der Arbeit von Verlagen und Journalisten. Ungeeignet ist es nur für Verlage, Journalisten und jenen Teil der Gesellschaft, die mit der Flexibilität, Kreativität und Nonkonformität der Crowd nichts anfangen können.