Crowdfunding im Koalitionsvertrag: was heißt das für die Crowdfunding-Branche in Deutschland?

KoalitionsvertragstitelCrowdfunding wird an vielen Stellen prominent im Koalitionsvertrag erwähnt, aber was heißt das für die Crowdfunding-Branche ingesamt in Deutschland? Welche Stellschrauben wird die Große Koalition, wenn sie denn zustande kommt, in den vier Kategorien des Crowdfundings drehen? Wo wird Crowdfunding erleichtert, wo erschwert werden und welche Plattformen werden ihr Geschäftsmodell überdenken müssen? Ein Ausblick.

Ich hatte das besondere Vergnügen, seit einigen Jahren im Kreativpakt eV. tätig zu sein. Dieser Zusammenschluss von unterschiedlichen Menschen aus der Kreativbranche, die vielfach zu den engsten Unterstützern von Frank-Walter Steinmeier gehören, wurde gebeten, in Zusammenarbeit mit der SPD-Bundestagsfraktion eine Art Arbeitsprogramm zu erstellen, welches die SPD nach der Bundestagswahl 2013 umsetzen wollte. Das hier nachlesbare Thesenpapier findet sich in Ausschnitten auch im geleakten Koalitionsvertrag vom 24.11.2013 wieder.

Equity-Based Crowdfunding (Crowdinvesting) im Koalitionsvertrag

Crowdfunding findet sich des öfteren wieder, aber nicht immer mit dem Begriff des Crowdfunding. Zum einen in der Zusammenfassung auf Seite 16 wird es im Bereich der Wirtschaftsförderung angesprochen:

Hierfür ist ein eigenständiges Regelwerk erforderlich. Auch neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) brauchen einen verlässlichen Rechtsrahmen.

Auf Seite 134 wird ein neues Gründungsdarlehen eingeführt und mit Crowdfunding verknüpft:

Wir wollen ein neues Instrument in Form eines bedingt rückzahlbaren Gründungsdarlehens in Zusammenarbeit mit der KfW schaffen. Die Gewährung des Darlehens kann dabei an die Nutzung von Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) geknüpft werden.

Reward-Based Crowdfunding im Koalitionsvertrag

Wer dabei Crowdfunding nur auf den unternehmerischen Begriff des Crowdinvesting reduziert sieht, mag prima facie recht haben. Allerdings nicht ganz, denn Crowdfunding im Kultursektor ist an einigen Punkten „versteckt“ worden. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass für die Kulturpolitik vor allem die Länder zuständig sind. Die neue Bundesregierung setzt dazu Schwerpunkte, benennt Lücken und versucht sich bei einer Reform der Künstlersozialkasse, die wohl mehr als überfällig ist. Wo kommen dann innovative Finanzierungswege vor?

In der Einführung heißt es auf Seite 10:

 So wird die Koalition die Unterstützung im Rahmen der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung fortsetzen und intensivieren. Programme der Wirtschaftsförderung sind stärker auch fü Kulturbetriebe zu öffnen. Gleichzeitig sollte der in den Förderprogrammen des Bundes zugrunde gelegte Innovationsbegriff für die Kultur- und Kreativwirtschaft geöfnet und erweitert werden. Neben besserer Beratung bedarf es neuer Modellprojekte und Förderung von Forschung, Entwicklung und Technologie. Fördermöglichkeiten für die Kultur- und Kreativwirtschaft sollten in einer Datenbank dargestellt werden. Die Beteiligung Deutschlands an EU-Förderprogrammen muss durch bessere Beratung erhöht werden.

Was hat das alles mit Crowdfunding zu tun? Zum einem ist zu nennen, dass die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft ganz wesentlich dazu beigetragen hat, reward-based Crowdfunding als Finanzierungsinstrument bekannt zu machen. Wir haben selber auf zahlreichen Veranstaltung der Initiative und des von ihr getragenen Kompetenzzentrum Kreativwirtschaft das Thema Crowdfunding einem breiten Publikum vorzustellen. Das ist also ein gutes Signal der Kulturpolitiker in beiden Parteien.

Die Öffnung der Wirtschaftsförderung für Kulturbetriebe und die Ausweitung des Innovationsbegriffs für die Kultur- und Kreativwirtschaft wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass auch Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft um die oben erwähnte Unterstützung von Start-Ups und innovativen Produkten bewerben können – auch hier ist ein Bezug zum Crowdinvesting gegeben. Aber indirekt wird den staatlich betriebenen Kulturinstitutionen geraten, sich weniger als Kulturinstitutionen, sondern stärker als Kulturunternehmen zu verstehen, die sich eben auch über die Crowd finanzieren werden müssen.

Die Tatsache, dass die Fördermöglichkeiten für die Kultur- und Kreativwirtschaft in einer Datenbank dargestellt werden sollen, zeigt, dass es den Kulturpolitikern darum geht, die vielen Töpfe der Kulturförderung klarer zu strukturieren. Das Erfassen ist ein erster Schritt, sie öffentlich stärker zu legitimieren. Dazu wird auch gehören, dass man überlegt, wie man den Zugang der Crowd zu den Entscheidungswegen der Kulturförderung verbessert. Aber so klar das in einen Koalitionsvertrag reinzuschreiben, hätte bedeutet, sich den Ärger der Kulturpolitiker der Länder zu holen – und das wollen die Kulturpolitiker des Bundes sich wohl nicht erlauben.

Und auch beim Zugang zu EU-Förderung ist einiges im Argen. Das Problem ist nicht so stark die bessere Beratung, sondern dass EU-Mittel im Bereich der Kulturförderung kofinanziert werden müssen. Da die Länder das aber oft nicht auf die Reihe bekommen, verfallen ein großer Teil der Gelder. Auch hier wird Crowdfunding in Zukunft eine Rolle spielen, als Möglichkeit der Ergänzung von Kulturmitteln der Länder.

Wo wird also der Gesetzgeber aktiv werden? Die Top5:

1. Crowdinvesting wird steuerlich erleichtert

Bundeswirtschaftsminister Rösler erleichterte im letzten Jahr Business Angeln die Investitionen in Start-Ups, indem die BAs 20% ihrer Investitionssumme zurück erhalten könnten. Die Bedingungen waren allerdings für die Crowd noch nicht ganz so ideal. Zum einen muß ein Anteil mindestens 10.000 Euro beantragen, zum anderen muss echtes Eigenkapital erworben werden. Bei den zahlreichen Mezzanin-Beteiligungsformen, die auf den Crowdinvesting-Plattformen verwendet werden, war die Förderung durch die BAFA schon allein ein rechtliches Problem, geschweige denn dass die Höhe der Investition auf Plattformen wie Seedmatch, Fundsters oder Companisto eher durchschnittlich im dreistelligen Bereich pro Investor und weniger im fünfstelligen Bereich lag. Selbst auf Plattformen wie innovestment, die eine Mindestbeteiligungssumme von 1.000 Euro einfordern, wird der Durchschnittsbetrag von 10.000 Euro pro Investition nicht erreicht.

Der Gesetzgeber wird daher vermutlich die Regelung für Business Angels auf die Crowd ausdehnen, wobei ich nicht glaube, dass wir bei 20% und bei den 5 Euros von Companisto als Mindestbeteiligung landen werden. Meine Vermutung ist, dass die BAFA-Regelung auf eine Mindestbeteiligung zwischen 500 und 1.000 Euro und einer Rückzahlsumme von 5-10% festgelegt wird, wenn das Beteiligungsmodell ausreichend Eigenkapitalähnlichkeit aufzeigt.

2. Qualifizierte partiarische Nachrangdarlehen werden den stillen Beteiligungen hinsichtlich der Prospektpflicht gleich gestellt

Schon jetzt werden die partiarischen Nachrangdarlehen in unterschiedlicher Form bei einer Reihe von Crowdfunding-Plattformen verwendet, nicht nur bei den Crowdinvesting-Plattformen für Startups, sondern auch bei Plattformen, die Energieprojekte finanzieren wollen. Hier herrscht ein großes Durcheinander von Beteiligungsmodellen, die von der Crowd in der Regel überhaupt nicht überschaubar sind.

Die Verwendung von partiarischen Nachrangdarlehen nutzen eine Lücke im Gesetz, um die Prospektpflicht zu vermeiden. Stille Beteiligungen sind von der Prospektpflicht ausgenommen, wenn die Gesamtinvestititionssumme 100.000 Euro nicht überschreiten. Für viele Start-Up-Finanzierungen sind aber Summen von 100.000 Euro nicht ausreichend, insbesondere wenn allein für die Crowdinvesting-Kampagne ein Betrag von 20-30.000 Euro einzusetzen ist. Die Plattformen gingen also sehr schnell dazu über, ihre Beteiligungsmodelle von stillen Beteiligungen auf partiarische Nachrangdarlehen umzustellen, die in der Regel so „qualifiziert nachrangig“ sind, dass im Fall einer Insolvenz die Darlehen so behandelt würden wie Eigenkapital. Gleichzeitig hat der Investor zwar Informationsrechte, aber eben keinerlei Mitbestimmungsrechte.

Ich gehe davon aus, dass die Branche damit rechnen muss, dass der Gesetzgeber hier in den ersten zwei Jahren Klarheit schaffen wird. Schon jetzt hat die Bundesregierung Prüfbedarf angezeigt, zuletzt in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis’90/Grüne (Drucksache 17/14666):

Anbieter nutzen nachrangige Darlehen zunehmend als Instrument, um Publikumsgelder ohne Erlaubnis nach dem KWG oder Prospektpflicht nach dem VermAnlG einzuwerben. Damit stehen diese Nachrangdarlehen nicht mehr in dem Text, den der Gesetzgeber bei den Änderungen des Tatbestandes des Einlagengeschäfts durch die Sechste KWG-Novelle 1998 und das Finanz- konglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2004 vor Augen hatte, nämlich die bankenunabhängige Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen auf dem Kapitalmarkt. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob vor dem Hintergrund dieser Entwicklung Nachbesserungsbedarf besteht.

3. Die Ausnahme von der Prospektpflicht  wird auf 250.000 Euro erhöht

Die Eingliederung der partiarischen Nachrangdarlehen in die Prospektpflicht wird es nach sich ziehen, dass man die Prospektpflichtausnahmen erhöht. In einigen anderen Ländern ist dies derzeit schon der Fall, vermutlich wird die Bundesregierung hier nachziehen. Da ein Prospekt zwischen 15.000 und 25.000 Euro kostet, macht es Sinn, die Prospektpflicht ab dem 10fachen dieses Aufwands beginnen zu lassen. Unternehmen, die mehr als 250.000 Euro einnehmen wollen, können sich es leisten, einen Wertpapierprospekt erstellen zu lassen.

4. Die Genossenschaftsfinanzierung wird reformiert

Auf Seite 16 des Koalitionsvertragsentwurf steht:

Wir werden die Gründung von Genossenschaften wie andere Existenzgründungen  fördern. Dazu werden wir geeignete Förderinstrumente entwickeln und bestehende  anpassen. Wir werden Genossenschaften die Möglichkeit der Finanzierung von Investitionen durch Mitgliederdarlehen wieder eröffnen.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Finanzierung von Start-Ups aus dem Social Entrepreneurship-Sektor über das Genossenschaftsmodell und der zunehmenden Nutzung von Genossenschaften im Crowdinvesting im Ausland wird es sicherlich zu einer spannenden Symbiose beider Finanzierungsformen kommen.

5. Die Crowd-Aktie wird mit einer Finanztransaktionssteuer belegt

Auf Seite 56 ist ausgeführt, dass eine Finanztransaktionssteuer kommt, aber nicht in Deutschland alleine:

Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz zügig umsetzen und zwar im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU.

Das gilt insbesondere auch für Aktientransfers, also auch für das Modell von Plattformen wie Bergfürst und den dort betriebenen Sekundärmarkt. Vermutlich ist aber die Finanztransaktionssteuer in Deutschland nicht mal der wichtigste Faktor für die Sekundärmärkte im Crowdinvesting. Der wichtigste Faktor ist meines Erachtens, ob das Crowdinvesting via Aktien in Deutschland langfristig akzeptiert wird, einem Land, dass vermutlich immer noch an die T-Aktie denkt, wenn man Crowd und Aktienmarkt zusammenbringt.