Self-Branding für Journalisten – zukünftige Finanzierungsformen für Journalisten zwischen Social Payments und Crowdfunding

Schon seit einigen Wochen erlaubt Flattr das Unterstützen von Inhalten, deren Urheber noch nicht bei Flattr sich angemeldet haben – sogenannte Unclaimed Flattrs. Zuvor hatte das Kachingle schon bei anderen Inhalten probiert und im Fall der New York Times sich eine derbe Abfuhr erhalten. Diese Unclaimed Flattrs ermöglichen es, zum Beispiel auf Youtube Videojournalisten oder Medienorganisationen zu unterstützen, ohne dass diese angemeldet sind. Stefan Mey hat heute auf Spiegel.de darüber berichtet.

Ursprünglich hatte ich gedacht, dass das wirklich super wäre – jeder Inhalt ist im Netz anhand seiner URL eindeutig identifizierbar und so könnte man für alle Inhalte im Netz schnell und problemlos ein paar Cents überweisen. Wenn ich jemandem Aufmerksamkeit gebe, dann durch einen Link bei Facebook oder Twitter – Flattr oder Kachingle könnten also meine Timeline scannen und dann  einfach die URL-Besitzer der jeweiligen Links entlohnen. Einfacher würde es nicht gehen.

Das Problem scheint mir zu sein, dass die Nutzer weder Flattr noch Kachingle richtig trauen, sie trauen aber den großen Medienorganisationen, deren Marken, sie trauen den bekannten Journalisten, die sich als Marken etabliert haben. Wie ist es aber für die vielen Journalisten, die als Freie für verschiedene Medienseiten im Netz schreiben, die ihre Artikel bei verschiedenen Blogs und Online-Portalen untergebracht haben? Für sie ist das System von Flattr oder Kachingle zu aufwendig und zu kompliziert.

Für die Leser ist es genau das gleiche. Gerne würde ich Journalisten, die ich gut finde, immer mal wieder etwas zu kommen lassen, wenn ich ihre Artikel gut finde. Wenn ich obigem Stefan Mey ein paar Cents zukommen lasse möchte, muss ich mir sein Flattr-Profil raussuchen oder sein Paypal-Profil, aber auf seinem Spiegel-Artikel ist sein Flattr-Account nicht eingetragen.

robsnowseemeMich macht es nachdenklich, dass Crowdfunding-Plattformen wie emphas.is oder Krautreporter so gut funktionieren. Ein Teil des Erfolgs liegt sicherlich darin, dass Journalisten über diese Plattformen dauerhafte Reputationen aufbauen können. Die Frage stellt sich, was passiert, wenn man das Thema Self-Branding weiterdenkt und mit einem Bezahlsystem kombiniert?

Die New Yorker-Plattform see.me hat das für den Künsterbereich sehr erfolgreich umgesetzt. Die Künstler können sich dort wie im alten MySpace eigene Profile anlegen, die sogar ziemlich schick aussehen. Der Clou kommt, wenn man auf den Button „Support me“ klickt: Dann können Kleinstbeträge überwiesen werden, aber auch Tickets oder CDs verkauft werden.

clippings.meIst das nun Crowdfunding oder Social Payments? Wir haben das immer abgegrenzt, dass wir sagten, dass Crowdfunding für noch nicht existierende Inhalte, aber Social Payments für schon existierende Inhalte genutzt werden. See.me ist ein ziemlich spannender Hybrid beider Welten, weil einfach die Persönlichkeit des Künstlers finanziert wird.

Da wo Flattr und Kachingle scheitern, weil sie nicht genügend an der Reputation des einzelnen Urhebers ansetzen, da wo die Paywalls scheitern, weil sie zu unvernetzt an einzelnen Medienangeboten kleben, da könnte ein See.me für Journalisten ansetzen. Plattformen wie http://clippings.me/ führen immerhin schon die Artikel eines Journalisten zusammen. Self-Branding plus Social Payment, also clippings.me oder see.me plus Flattr/Kachingle, das könnte wieder etwas Bewegung in die eingeschlafene Social Payment Debatte bringen.

 

Der Erfolg von taz-zahl-ich – ein Vorbild für die gesamte Branche?

tzi_uebersicht_2013.pdf-Seite-1-von-2Die taz hat eine gute Nachricht:

Nach der Rekordsumme von 10.939,42 Euro im Dezember legten die NutzerInnen im Januar noch einmal etwas drauf und ließen der taz insgesamt 12.209,45 Euro zukommen – 1.270,03 Euro mehr als im Rekordmonat zuvor.

Interessant finde ich an den Grafiken:

  • Seit der Einführung der „freiwilligen“ Bezahlschranke sind alle Einnahmen nach oben gegangen, aber stagnieren zum Teil auf einem höheren Niveau.
  • Die Flattr-Einnahmen stagnieren auf dem Niveau bzw. gehen leicht zurück.
  • Vor allem Direktüberweisungen und taz-zahl-ich-Abos tragen zum Wachstum der Einnahmen insgesamt bei.

Aus historischer Sicht betrachtet, scheint damit die Frage, welches Social-Payment-Modell sich langfristig durchsetzt, entschieden: die inviduelle Bezahlung pro Artikel per flattr war eine spannende Lösung für die digital Natives. Aber das Gespür von kachingle, eine Abolösung einzuführen, war grundsätzlich richtig. Das Problem ist nur, dass die taz nie Kachingle als Anbieter eingesetzt hat, sondern lieber die Funktionalität selber programmiert hat, um die Daten der Nutzer behalten.

Was heißt das für den Rest der Zeitungsbranche? Continue reading „Der Erfolg von taz-zahl-ich – ein Vorbild für die gesamte Branche?“

Zeitleiste Social Payment

2005
Die taz fragt: »Was ist Ihnen die Internetausgabe wert?« und ermutigt zu Direktspenden.

2007

Kachingle wird gegründet. Pro Monat zahlt der Nutzer $5 ein, die dann auf die Seiten mit Kachingle-Button umgelegt werden.
2008

Tipjoy wird gegründet. Damit können Nutzer kleinere Beträge an Webseiten spenden. Im August 2009 wird Tipjoy wieder geschlossen.

07/2009

Contenture bietet Micro-Subscriptions an. Die Nutzer zahlen eine monatliche Gebühr. Pro Besuch wird eine von der Webseite festgelegte Gebühr abgezogen. Im Januar 2010 wird Contenture geschlossen.

11/2009

Das Online-Magazin Carta nutzt Kachingle und konnte damit bislang ca. $600 einnehmen. Verschiedene freie Journalisten und Blogger experimentieren mit dem System.

02/2010

Flattr wird gegründet. Mit Flattr wird ein monatlicher Betrag umgelegt auf die Anzahl von Klicks auf Buttons, die in Artikel eingebunden werden können.

04/2010

Peter Sunde präsentiert Flattr auf der re:publica und löst damit einen Boom in der deutschen Blogosphäre aus.

05/2010

Viele Medienunternehmen berichten über Kachingle und Flattr, aber setzen es kaum selbst ein. taz und Freitag nutzen Flattr, vorwärts nutzt zusätzlich Kachingle.

07/2010

Sascha Lobo erklärt, er werde Flattr nicht einsetzen. Das Geld solle nicht nur in der Blogosphäre herumgereicht werden.

10/2010

Kachingle will die New York Times Blogs vor der Paywall retten. Kleine Beiträge sollen mittels Kachingle-Erweiterung an die New York Times gespendet werden. Die New York Times reagiert mit einer Unterlassungsklage.

11/2010

Mit Flattr Subscriptions lässt sich ein Klick monatlich automatisch wiederholen, um
Inhalte mehrmals zu unterstützen.

12/2010

Der Podcaster Tim Pritlove gibt an, über Flattr pro Monat einen kleinen vierstelligen
Betrag einzunehmen.

Flattr erlaubt Direktspenden. WikiLeaks ist
mit ca. $10.000 einer der größten Empfänger.

03/2011

Der Journalist Richard Gutjahr nimmt über Flattr, Paypal und Spenden ca. €4.000
ein, nachdem er spontan nach Ägypten zur Berichterstattung gefahren ist.

Die Flattr-Einnahmen der taz betragen im Durchschnitt ca. €1700 pro Monat.

04/2011

Kachingle ermöglicht nun auch das Unterstützen von Seiten, die keinen Kachingle-
Button haben. Flattr kündigt die gleiche Funktion für Mai an.

Die taz kombiniert Flattr und Direktüberweisungen mit dem neuen Bezahlsystem »taz
zahle ich«.

Flattr erlaubt Revenue-Sharing für Multiautoren-Blogs.

Dieser Text entstammt dem Handbuch Crowdfunding, das weitere Texte zum Thema Crowdfunding enthält. Es kann im Publikationsverzeichnis bestellt werden.

Social Payment und Crowdfunding – eine Übersicht

Auf der Tagung „Besser Online“ des Deutschen Journalistenverbands in München habe ich gemeinsam mit Bernd Oswald einen Vortrag zum Thema „Micropayment, Crowdfunding, Social Payments“ gehalten. Der Vortrag  war sehr gut besucht und es gab viele sehr gute Nachfragen. Mein Vortrag baute auf einem ähnlichen Vortrag gemeinsam mit David Roethler bei der Start10. Im folgenden hier nun die Folien und dazu schriftliche Ergänzungen.

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Social Payments – Eine neue Form, für Inhalte im Netz zu bezahlen?

Kachingle, Flattr, Rewardr, Yourcent – jeden Monat kommen neue Dienste hinzu, die es ermöglichen, kleine Beträge für Inhalte im Netz zu überweisen. Die Revolution im Internetzahlungsverkehr könnte auch Vereinen und Stiftungen neue Einnahmemöglichkeiten bieten. Ein Beitrag aus dem Fundraiser-Magazin 05/2010.

Sie gehen in ein Restaurant. Der Kellner ist aufmerksam und freundlich. Sie geben ein Trinkgeld.. Das Trinkgeld ist ein kleiner Betrag, aber für den Kellner ein wichtiger Zuverdienst. Niemand zwingt Sie, das Trinkgeld zu geben. Trotzdem machen Sie es.

Sie besuchen eine Webseite. Sie erhalten wichtige und relevante Informationen, die mit Aufwand erstellt wurden. Sie überweisen einen kleinen Betrag über ein elektronisches Zahlverfahren. Die Summe der Kleinstbeträge sorgt dafür, dass der Webseitenbetreiber auch in Zukunft die Information bereit stellen kann. Niemand zwingt Sie dazu, etwas zu geben. Trotzdem machen Sie es.

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Flattr und Kachingle – eine kritische Bestandsaufnahme des Marktes

Anlässlich der 6. Socialbar in Hannover entstand der nachfolgende Vortrag zum Thema Social Payment. Im Fokus steht die vergleichende Betrachtung der Dienste Flattr und Kachingle sowie eine kritische Bestandsaufnahme der relevanten Faktoren zur Marktentwicklung.

Es sei zunächst klar gestellt, dass es sich bei Social Payment um eine Form des Crowdfundings handelt und nicht um reines Micropayment. Mit Social Payment erfolgt eine freiwillige Finanzierung von Online-Inhalten, vergleichbar mit einer freiwilligen GEZ-Gebühr, die jedoch anders als die staatliche verordnete Rundfunkabgabe vom Konsumenten selbst an die Produzenten verteilt wird.

Der Vergleich der beiden Dienste Flattr und Kachingle erfolgte bereits im Beitrag „Ein Systemvergleich: Flattr und Kachingle“ und wird an der Stelle aktualisiert.

In den vergangenen Wochen ist die Diskussion über Socialpayment fortgeschritten und es ist an der Zeit, dass auch die Probleme und Hindernisse für den Erfolg der Dienste beleuchtet werden, wobei Probleme gerne synonym zu Herausforderungen verwendet wird. Es gibt drei Problem-Cluster, die im Folgenden beschrieben werden:

1.    Probleme des Marktes
2.    Probleme der Dienste
3.    Kulturelle Probleme

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Flattr und Kachingle – ein Systemvergleich

Obgleich sich die Diskussion über das Potential von Micropayment für Blogs in den großen Medien meist nur auf Flattr konzentriert (Spon, Morgenpost, Handelsblatt, Heise) gibt es derzeit zwei ernstzunehmende Dienste, die sich um einen raschen Markteintritt bemühen: Flattr und Kachingle. Zeit beide ersten einem groben Systemvergleich zu unterziehen.

Der Name

Flattr kommt von Flatrate, wie Peter Sunde in seinem Vortrag auf der re:publica erläuterte. Kachingle ist eine Mischung aus den Geräuschen Ka-ching! (wie eine alte Registerkasse) und Jingle (wie beim Schütteln eines Sacks voller Münzen).

Das Prinzip

In Youtube-Videos erläutern Flattr und Kachingle (eins und zwei) ihre grundlegenden Funktionsweisen. Leser bekunden mit einem Klick ihre (finanzielle) Unterstützung. Wesentlicher Unterschied der beiden Dienste ist die Reichweite der Unterstützung. Bei Kachingle wird der gesamte Blog unterstützt, wobei derzeit keine Unterscheidung in den Rubriken oder Autoren vorgesehen ist, ein einzelner Autor oder eine Rubrik quasi-institutionell unterstützt. Flattr hingegen zielt auf eine sehr kleinteilige Unterstützung ab, indem Blogbeiträge oder gar einzelne Leser-Kommentare – in jedem Fall aber einzelne Inhalte – „geflattert“ werden. Kachingle loggt hierfür die Anzahl der Besuche einer Internetseite (optional) und verteilt die Abosumme nach Anteil der besuchten Seiten. Flattr verteilt die Summe gleichmäßig auf die „geflatterten“ Inhalte, ohne Unterschied ob  eine Seite nur einmal oder häufiger besucht wurde. Continue reading „Flattr und Kachingle – ein Systemvergleich“

Micropayment in der deutschen Blogosphäre II

Seit Karsten vor gut zwei Wochen über Micropayment in der deutschen Blogosphäre geschrieben hat, hat die Diskussion in Blogs und auf Twitter an Fahrt aufgenommen. Während die Bitkom eine wachsende Zahlungsbereitschaft für Qualitätsjournalismus im Web feststellt und damit vor allem auf die Angebot von Verlagen zielt, bleibt die Frage ob sich diese Bereitschaft auch auf reine Online-Medien bezieht. Die Notwendigkeit neuer Wertschöpfungsketten für Inhalteproduzenten hat Ulrike Langer sehr gut herausgestellt. Die Weichen dafür werden jetzt gestellt.

Aktuell wird vor allem die Frage diskutiert, wie sich die Dienste in zweiseitigen-Märkten agieren können. Stefan Mey beschreibt das Dilemma recht treffend: „Nur wenn die Nutzergruppe 1 (Inhalte-Anbieter) groß genug ist, wird die Plattform für die Nutzergruppe 2 (Unterstützer) attraktiv- und umgekehrt.“ Continue reading „Micropayment in der deutschen Blogosphäre II“

Micropayment in der deutschen Blogosphäre: Kachingle

Das Ziel Crowdfunding für gute Internet-Inhalte möchte der Online-Dienst Kachingle ermöglichen. Vergleichbar ist der Ansatz mit einer freiwilligen GEZ-Zahlung, aber in diesem Fall bestimmt der Nutzer selbst, welche Inhalte Anteile erhalten und wie viel er zahlen möchte. Umfassende Diskussion über den Dienst wurde in deutschen Blogs beispielsweise bei Der Spiegelfechter und im Kulturmanagement Blog geführt.

Passend zur re:publica 2010 hat kachingle eine Liste deutschsprachiger Webseiten veröffentlicht, die Kachingle benutzen, darunter diverse Blogs, Online-Magazine wie Carta und dem Anatolien-Magazin oder Regionalblogs wie kielpod.de. Kachingle scheint damit aus der Experimentierphase herausgetreten zu sein  – es bleibt spannend zu sehen, wo Kachingle in Zukunft eingesetzt wird.

PS Mit Flatter bereitet sich ein Dienst ähnlichen Musters auf den Markteintritt vor.