Bericht zur „youth & e-participation“ – Internationale Konferenz zur Jugendbeteiligung in der digitalen Gesellschaft

Das multilaterale Kooperationsprojekt youthpart hatte vom 4.-5. Juni nach Berlin zur internationalen Konferenz zum Thema „youth & e-participation“ geladen. Zwei Tage lang tauschten sich 120 Expertinnen und Experten aus vierzehn europäischen und außereuropäischen Ländern über ihre Erfahrung mit netzbasierten Beteiligungsverfahren aus. Die verschiedenen Vertreter von Jugendeinrichtungen und Modellprojekten, der kommunalen Verwaltung, sowie der deutschen und europäischen Politik kreierten ein vielstimmiges, kritisches und perspektivenreiches Bild über die Chancen und Anforderungen von Jugendbeteiligung im Internet.

Folgte man den Eröffnungsreden und Keynotes der Konferenz, konnte man Eines zunächst ganz grundlegend feststellen: E-Partizipation ist kein Orchideenthema mehr und beginnt sich als Leitgedanke zu etablieren, auch in den politisch verantwortlichen Institutionen. Lutz Stroppe, Leiter der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJF), stellte in seiner Keynote fest, dass mittlerweile gute Voraussetzungen bezüglich der E-Partizipation von jungen Menschen geschaffen worden sind, es Standards und Empfehlungen gäbe und es nun an der Zeit sei, einen Schritt weiter zu gehen. Dass das Thema E-Partizipation mehr als nur „modern“ und definitiv ein Schwerpunkt der Jugendpolitik sei, bekräftigte auch seine Kollegin Ute Trentini, Referentin für Jugendinformation im BMFSJF. Von einer institutionellen Verankerung des Themas zeugten auch die von  Graeme Robertson vorgestellten Pläne der Europäischen Kommission für den Relaunch des Europäischen Jugendportals, das in Zukunft mehr partizipative Elemente enthalten soll.

Dringend erforderlich: eine neue partizipative Kultur

Deutlich wurde während der zweitägigen Konferenz aber auch, dass noch viel Arbeit vor allen beteiligten Institutionen und Akteuren liegt. So betonte Peter Matjasic,Präsident des European Youth Forums, dass zunächst sichergestellt werden müsse, dass alle junge Menschen Zugang zum Internet erhalten. Er rief dazu auf, das „internet as a fundamental right“ durchzusetzen, wie es auch die Vereinten Nationen fordern.Neben den technischen Voraussetzungen benötigten netzbasierte Beteiligungsverfahren vor allem auch ein kulturelles Umdenken, wie Verena Ketter vom Amt für Soziale Arbeit Wiesbaden erklärte. Eine neue partizipative Kultur sei erforderlich, die junge Menschen nicht nur berücksichtigen, sondern ihnen auch Entscheidungsmacht übertragen will. Dies betrifft auch das Design und die Struktur von Jugendbeteiligungsprojekten selbst. Auf die Frage, obProjekte zu Partizipation auch partizipativ angelegt sein müssten, antwortete die Direktorin des Instituts für MedienpädagogikDr. Ulrike Wagner: „Deutlich: ja. Derartige Projekte müssen sich immer fragen, welchen Level von Partizipation sie genau haben.“

Information als Voraussetzung und Ziel von ePartizipation

Als eine essentielle Voraussetzung für das Gelingen von E-Partizipations-Projekten identifizierten die versammelten Experten den Zugang zu Informationen. „Quality information is the basis“ betonte Anja Ruhland vom Eurodesk Brüssel und machte deren Stellenwert bei ihrer alltäglichen Arbeit deutlich: „We turn information into participation.“ Auf die Verantwortung, die damit einhergeht, verwies auch Graeme Robertson: „How do we ensure that young people are adequately informed about the decisions?“

Während der Gruppendiskussionen wurde ebenfalls deutlich, dass Transparenz und Informationen keineswegs nur Voraussetzungen für erfolgreiche E-Partizipations-Verfahren, sondern in jeder Phase des Beteiligungsprozesses von Bedeutung sind.

Mehrfach wurde davor gewarnt, junge Menschen zur Beteiligung zu motivieren, ohne sie darüber aufzuklären, worin ihr Engagement mündet oder sicherzustellen, dass ihr Standpunkt bei Entscheidungsprozessen berücksichtig wird. Dr. Bart Cammaerts, Senior Lecturer an der London School of Economics und Autor der Studie „Youth in Democratic Life“ merkte nachdrücklich an:„It must be clear to young people what will happen with their input.“

Dringend benötigt: Know-how und Erfahrungsaustausch

Besonders interessiert waren die Teilnehmer der Konferenz am praxisbezogenen Erfahrungsaustausch. Auf große Aufmerksamkeit stieß beispielsweise das finnische Projekt „Initiative Channel“, das jungen Menschen mit der Plattform aloitekanava.fi die Möglichkeit bietet, ihren Anliegen auf kommunaler Ebene Gehör zu verschaffen. Seit seinem Start 2006 hat sich die Plattform als erfolgreicher Vermittler zwischen politischen Entscheidungsträgern und den Interessen junger Menschen etabliert und ist in mittlerweile 140 finnischen Gemeinden vertreten. Merja-Maaria Oinas und Jaana Fedotoff, Projektmanager von „Initiative Channel“, waren nicht zuletzt aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung beliebte Gesprächspartner und Adressaten zahlreicher Fragen über die technische, administrative und kommunikative Umsetzung des Projektes.

Mehrfach wurde von den Teilnehmern der Konferenz der große Bedarf an Kooperation und Vernetzung formuliert, auch mit Blick auf zukünftige Projekte. Trotz der bereits existierenden Erfahrungen mit Modellprojekten, sei ein Wissensaustausch dringend erforderlich. Immer wiederkehrende Fragen waren zum Beispiel die nach geeigneten Plattformen für netzbasierte Beteiligungsverfahren und den Vor- und Nachteile von kommerziellen Diensten und Open Software-Lösungen. Großer Diskussionsbedarf herrschte auch bei der Frage, wie Tools und Anwendungen benutzerfreundlich und jugendgerecht gestaltet werden können.Ebenfalls Gegenstand der Debatten war die adäquate Verbindung von Online- und Offline- Beteiligung und die Notwendigkeit solcher integrierter Beteiligungsverfahren. Gerade in Bezug auf Vernetzung und Austausch kann das Projekt youthpart einen wichtigen Beitrag leisten.

Zum Abschluss der Konferenz wurden aus den vielfältigen Standpunkten und Themen sieben Thesen entwickelt, die als Denkanstöße und Diskussionsgrundlage für kommenden jugendpolitische Debatten über netzbasierte Beteiligungsverfahren genutzt werden können. Das Protokoll des Abschlusspanels, auf dem die Thesen vorgestellt wurden, findet sich hier.

Alle Panels und Gruppendiskussionen der Konferenz wurden mithilfe von Etherpads dokumentiert und sind öffentlich zugänglich. Eine Übersicht über die verschiedenen Pads findet sich hier.

 

Hinweis: Der Artikel wurde zuerst im Auftrag des youthpart-Projekts im Blog des Dialog Internet veröffentlicht.