Hat Twitter ein Geschäftsmodell als Big-Data-Hub?

Mein Kollege Marcel Weiß hat eine sehr ausführliche Analyse des Twitter-Geschäftsmodells verfasst und dabei im wesentlichen die drei Erfolgsfaktoren von Twitter und ihre aktuelle Umsetzung überprüft:

1. Sie haben mit dem asymmetrischen Follower-Prinzip die robustere Vernetzungsart gegenüber dem vorher verbreiteten Sich-Gegenseitig-Befreunden eingeführt und populär gemacht.

2. Sie haben mit der Begrenzung auf Text und 140 Zeichen einen starken Fokus auf Einfachheit gelegt und damit sehr viel Kreativität und nicht vorhersehbare Nutzungsarten ermöglicht.

3. Sie haben mit einer sehr offenen Plattform-Politik frühzeitig gezeigt, welche Möglichkeiten in Webplattformen liegen. Ohne die die Clients ermöglichende Plattform würde es Twitter heute so nicht mehr geben.

Marcel argumentiert, dass zumindest beim Punkt 2 und Punkt 3 im Augenblick nicht mehr erfüllt sind und daher langfristig die Attraktivität der Plattform abnimmt. Er schlussfolgert daher:

Im Gegensatz zu Facebook, dem ich nach wie vor eine rosige Zukunft vorhersehe, bin ich bei Twitter verhalten pessimistisch. Das Nutzerwachstum von Twitter ist sehr langsam. Gleichzeitig ist Twitter mit 231,7 Millionen aktiven Nutzern nicht groß genug, um ohne Wachstum stabil bleiben zu können.

In vielen Punkten kann ich Marcel recht geben, aber ich würde gerne zwei Anmerkungen machen, die mich dazu führen, nicht ganz so pessimistisch zu sein.

Zum einen ist es so, dass gerade zahlreiche jüngere Internet-Nutzer wieder von Facebook abwandern, weil ihnen die Möglichkeiten, ihren eigenen Content und die Sichtbarkeit gegenüber Eltern, Lehrern, Fremden einzuschränken, bei Facebook nicht mehr gegeben waren. Dies erklärt meines Erachtens einen Teil des Erfolgs von Instagram und auch die Nutzung von Twitter als soziales Netzwerk.

Twitter hat nicht die Repuation, über kurz oder lang jede Privacy-Einstellung aufzulösen, Twitter sorgt nicht für eine Vorfilterung der Inhalte, Twitter ermöglicht die passive Nutzung des Mediums und das reine Beobachten – alles Dinge, welche die Facebook-Plattform nicht mehr kann.

Facebook wächst in andere Alterssegmente hinein, wird unhandlicher zu nutzen. Twitter ist im Kern immer noch ein reiner Push- und Pull-Mechanismus für Informationshappen. Damit ist es als Indikator für Relevanz viel mächtiger als Facebook. Und hier liegt meines Erachtens ein großer ökonomischer Vorteil: man kann mit Twitter-Suchmaschinen wie tame.it viel einfacher relevante Inhalte aufspüren als beispielsweise mit der Facebook-Suche.

Das bedeutet nicht, dass Twitter diesen Vorteil versteht und zu nutzen bereit ist. Ich teile den Eindruck, dass die Investoren von Twitter allein auf das Werbe-Geschäftsmodell setzen und wenig Innovationsfreunde zeigen. Das ist vermutlich ihr größtes Hindernis.