@dieTrendblogger Dossier im Februar 2013: Können Fernsehsender noch innovativ sein?

michael-praetoriusHeute findet die Redaktionskonferenz der Trendblogger statt. „Können Fernsehsender noch innovativ sein?“ war der Schwerpunkt des Monatsdossiers im Februar. Die Blattkritik der Trendblogger wird vom Journalisten Michael Praetorius geleitet.

isarrunde-screenshotMichael Praetorius lebt als Publizist und Medienberater in München und Berlin. Dort leitet er die Geschäfte der NOEO GmbH. Michael Praetorius ist langjähriger TV- und Hörfunkjournalist. Zudem ist er Dozent für Journalismus, Medienmanagement und Social Media. Privat agiert er als Video-Blogger in der Münchner Isarrunde und Berliner Spreerunde. Im Interview erzählt er auch, warum Formate wie die Isarrunde innovativer sein können als Fernsehsender.

Die Sender haben ihr Sendeprivileg fast vollständig verloren. Ich glaube nicht, dass es noch lange dauern wird, bis sich der Trend der senderunabhängigen Formate durchsetzt. Die ersten Produktionsfirmen arbeiten bereits an Formaten ohne feste Länge und primärer Ausstrahlung im Netz.

Die Artikel zum Thema „Innovative Fernsehformate“ sind sehr spannend geworden:

  • Mareike Schönherr berichte über Fernsehinnovationen in Frankreich:

    Immerhin trauen sich die öffentlich-rechtlichen Sender in Frankreich tatsächlich, ein wenig Bildung unters Volk zu streuen. Interessante Reportagen wie Les racines et des ailes (Die Wurzeln und Flügel) laufen mittwochs zur Prime-Time, die in Frankreich um 20:40 Uhr angesetzt ist. Doch echte Innovationen sucht man in Frankreich wie in Deutschland vergebens. Diese bedeuten schließlich Aufwand und kosten möglicherweise sogar Geld – beides scheuen die Fernsehanstalten.

  • Nastasja Rykaczewski berichtet über Keemotion – einem Startup, welches Sportberichterstattung von Zuschauern ermöglicht:

    Die visuelle Sportberichterstattung, die vor allem im Fernsehen zu finden ist, weist eine eingeschränkte Vielfalt auf und konzentriert sich stark auf den Spitzensport. Die Einseitigkeit der Berichterstattung ist ein Kennzeichen für die Kommerzialisierung des Sports und hängt zum einen mit der Publikumswirksamkeit einer bestimmten Disziplin zusammen. Fußball und Formel 1 weisen eine höhere Dramaturgie auf und verkaufen sich nun mal besser als Rudern oder Eishockey. Versuche von Randsportvereinen, die Medientauglichkeit zu verbessern, gehen dahin, dass man z.B. erwägt das Eis beim Eishockey blau zu färben, um die Puk-Sichtbarkeit zu erhöhen.
    Die Medien sehen das Problem vielmehr in der fehlenden Medienkompabilität von Randsportverbänden. Die bisher mangelnde, mediengerechte Inszenierung des Sports könnte mit der kostengünstigeren Produktion von Sportaufnahmen mit Keemotion überwunden werden.

    Außerdem interviewte sie Yves Thieran, den Chefredakteur Neue Medien beim Belgischen Sender RTBF

    Im Wettbewerb mit neuen Medien hat das Fernsehen hier überhaupt nicht zu leiden. Ganz im Gegenteil und zum Erstaunen aller: Die Leute schauen mehr und mehr Fernsehen. Die Konkurrenz der neuen Medien zeigt sich zwar sehr deutlich im Bereich der Printmedien und auch ein wenig im Radio, aber nicht beim Fernsehen.

  • Jessica Neymayer berichtet aus Spanien über Orbyt.tv – einem innovativen Fernsehprojekt einer spanischen Tageszeitung:

    Ein Anbieter dieser Geräte ist Orbyt Internet TV – ein Zusammenschluss der zweitgrößten Tageszeitung Spaniens „El Mundo” und der Plattform „Orbyt”. Vielleicht ist alleine schon die Zusammenarbeit von Print und Internet für TV ein fortschrittlicher Gedanke. Mit „Orbyt Internet TV” wird die Möglichkeit geboten, den Fernseher zu einem Allroundgerät zu machen.

  • Luise Hoffmann berichtet aus UK über ein ähnliches Projekt: London Live – ein Projekt des Evening Standards
  • Die Idee, die hinter „London Live“ steht, ist keine, die die Fernsehwelt komplett umkrempeln und revolutionieren wird. Doch das sich aus einer Zeitung ein Fernsehsender entwickelt, ist etwas Neues und könnte zu einem sehr erfolgreichen Projekt werden, zumal sich die Zeitung großer Beliebtheit erfreut. Das vorwiegend in der Underground gelesene Abendblatt zeichnet sich vor allem durch seine kompakten und prägnanten Artikel aus. Die Übertragung dieses Konzeptes auf die Inhalte des Senders und der Vorteil der lokalen Gebundenheit könnten Alleinstellungsmerkmal der TV Station werden und „London Live“ von der großen Anzahl anderer Fernsehsender abheben.

  • Niklas Wieczorek berichtet aus Schweden über den neuen IKEA-Fernseher und das SocialTV-Angebot des öffentlich-rechtlichen Fernsehens::

    Denn IKEA hat die Funktion Smart TV in sein Gerät integriert: Grundsätzlich geht es dabei einfach um eine Verknüpfung von Fernsehen und Internet in einem Gerät, teilweise wird die Technik daher auch als Hybrid Broadcast Broadband TV (HbbTV) bezeichnet. Fraglich in Deutschland ist, wie und in welchem Umfang sich die Fernsehsender entscheiden, diese Technik über ihre Mediatheken hinaus einzusetzen. Nur als besserer Videotext hätte der Smart TV sein Potential verschenkt.

    Richtig macht es dagegen SVT, Sveriges Television. Das öffentlich-rechtliche schwedische Fernsehen – an anderer Stelle in diesem Blog schon im Fokus – kündigte Ende letzten Jahres an, zusätzliche Sendungen ausschließlich auf ihrer Internetplattform svt play online zu zeigen. Und natürlich ist svt play über Smart TV empfangbar: Der Sender kann so neue Formate im Internet ausprobieren, die sonst im TV keine Chance auf Ausstrahlung hätten, betont Lena Glaser, Abteilungschefin bei SVTi gegenüber Dagens Nyheter.

  • Finn Pauls berichtet über den ersten Social TV Sender in Finnland:

    MTV Media nutzt nun Social TV? Wie aufregend!

    Ganz so aufregend ist es dann alledings nicht. Es geht weder um eine umfassende Strategie noch um den Hauptsender MTV3, sondern um den Spartensender AVA. Ursprünglich als Kanal mit Frauen als Zielgruppe gegründet, wird er nun unter dem neuen Motto “Luodaan yhdessä” (“Lasst uns zusamen etwas schaffen”) zum sozialen Sender umgewandelt wird, bei dem jeder und vor allem jede mitmachen können soll.

  • Annette Mehlhorn schreibt über die Qualität von Serien in den Deutschland, USA und UK:

    Im Gegensatz zu den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern hat die BBC schließlich einiges hervorgebracht, was durchaus in einer Reihe mit den umjubelten amerikanischen Serien genannt wird. Man denke nur an Sherlock oder Downton Abbey. Und das mit einem geringeren Budget als es ARD und ZDF zur Verfügung haben! Und auch im kleineren Rahmen zeigt sich das britische Fernsehen manchmal überraschend innovativ: so wird schon mal im daytime TV, inmitten von Game- und Talkshows, eine ambitionierte Dickens – Verfilmung gesendet – und zwar nicht verstaubt und verkrampft auf einen Bildungsauftrag schielend, sondern frisch in Scherlock-Manier.

  • Karin Kutter berichtet über verschiedene Ansätze des partizipativen Fernsehens

    „The Spiral“ zeigt: Wenn sich die Macher trauen, können innovative Formate produziert werden. Die Idee, die von der Online-Community geschaffenen Bilder wieder in die Serie einfließen zu lassen, genauso wie die Übergabe der Bilder an die Museen durch Mitspieler ist ein genialer Schachzug. Die Storyline lief vom Fernsehen übers Internet und Live-Events zurück ins Fernsehen. So verschmolz die Serie sämtliche Möglichkeiten, die Fernsehen und Internet bieten, zu einem neuen partizipativen Event.

  • Helena Wöhl Coelho berichtet über Nielsen-TV-Twitter-Ranking:

    Am 19. Februar kündigte Nielsen – das weltweit führende Unternehmen für Medienanalyse und – information – an, dass es seine Definition von “TV Viewing” modernisieren will. Seit Jahren beschwerten sich Rundfunkanstalten darüber, dass ihre Zuschauerschaft nicht von den traditionellen Analysen wahrgenommen werden konnte. Dieses neue Verständnis soll das Problem nun korrigieren: ab September 2013 sollen die neuen Messungen in den USA auch streaming, gaming systems und mobile Geräte in Betracht ziehen; Xbox und iPad darunter.

Das Trendblogger-Dossier im September: The Future of TV

Ab September 2012 betreuen wir von ikosom aus redaktionell die Community der Blogger und Bloggerinnen auf dietrendblogger.de. Studierende, die ein halbes oder ein ganzes Jahr ins Ausland gehen, berichten über Medientrends aus ihren Ländern.

Jeden Monat gibt es ein Schwerpunkt-Thema. Im September war es das Thema „Future of TV“. Sehr spannende Themen sind dabei schon zusammen gekommen:

  • Johanna Kardel schreibt über ARTE-ähnliches Fernsehen in Lateinamerika:

    Ähnliche zaghafte Versuche gibt es seit einiger Zeit in Lateinamerika. Der iberoamerikanische Kulturraum mit seinen fast 600 Millionen Einwohnern verspricht dabei eine größere Reichweite. Das Pilotprojekt Doctv erinnert stark an das Prinzip Arte.

    Die 14 lateinamerikanische Staaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Kuba, Ecuador, Mexico, Panama, Peru, Puerto Rico, Uruguay und Venezuela verabschiedeten im Jahr 2005 das Pilotprojekt Doctv Latinoamérika.

  • Karin Kutter schreibt über ein Social TV Projekt der Serie „The Spiral“:

    In der Serie wird nach dem Kunstraub eine Website gestartet. Die gibt es auch in Wirklichkeit: www.thespiral.eu. In Aktionen kann der User Punkte sammeln, die wiederum bei der Suche nach den gestohlenen Werken helfen. Auf der Website wird der Nutzer beispielsweise aufgefordert, ein Foto von einem der Tatorte zu machen oder zu Hause ein rotes Stillleben zu kreieren. So wird aus alter Kunst neue Kunst.

  • Mareike Schönherr erklärt wie Social Media und Fernsehen in Frankreich zusammen kommen:

    Auf den Internetseiten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Frankreich kann man Programme immerhin online abrufen – doch das war’s. Das Sehverhalten ihrer Nutzer haben die wenigsten auf dem Schirm. Ein Twitter- oder Google-Plus-Account und eine Facebook-Präsenz gehören immerhin zum Standard-Repertoire, doch erscheint dies in den meisten Fällen eher als lästige Pflichtübung. Dabei kann das Social-TV zu einer echten „Demokratisierung“ des Fernsehens beitragen. Der Zuschauer von heute will sich am Geschehen beteiligen. Produzenten können beispielsweise die Reaktionen der Zuschauer auf ihr Werk live mitverfolgen. Warum auf die Quoten am Morgen warten statt die Trendthemen des Abends auf Twitter zu begutachten?

  • Clara Kowarsch schreibt über Dual-Viewing, eine technische Innovation um auf einem Gerät zwei Serien zu sehen:
  • Was macht man also, wenn die Lieblungstelenovela der 15-jährigen Alejandra nun zur selben Zeit ausgestrahlt wird, wie die ihres Opas? Die neue streitarme Lösung dazu bieten Dual-View Fernseher, welche zwei Programme gleichzeitig senden:

  • Karsten Wenzlaff schreibt über 3D-Fernsehen auf dem Tablet:

    Auf dem Tablet kann man direkt 3D-Inhalte konsumieren und verändern. Die naheliegendsten Antwort für die Entwickler sind Architekten, aber wie wäre es denn, wenn man ein Fußballspiel in 3D direkt vor einem sehen könnte? Oder die Couch aus Wetten dass direkt auf dem Tablet fast anfassen könnte.

  • Annette Mehlhorn und Luise Hoffmann schreiben über On-Demand-TV. Annette Mehlhorn schreibt über Youview:

    Youview ist die Antwort der britischen Rundfunkgrößen BBC, ITV sowie Channel 4 und 5 auf diese Entwicklung. Die IPTV Plattform ermöglicht den NutzerInnen Live-Sendungen anzuhalten und zurück zu spulen sowie in der Zukunft liegende Sendungen zum Aufzeichnen vorzumerken. Bis hierhin noch nichts allzu besonderes. Was Youview wirklich interessant macht, ist die Welt sogenannter On-Demand und Catch-Up Angebote, die sich durch das einfache Drücken eines einzigen Knopfs auf der Youview-Fernbedienung eröffnet.

    Luise Hoffmann schreibt über Blinkbox:

    blinkbox bietet ein weiteres Konzept, dass sehr gut in unser heutiges TV-Rezeptionsverhalten passt. Pay-as-you-go-TV: man bezahlt nur für das was mach auch sieht. Alles was man braucht: einen Account bei blinkbox, Internet und ein Bildschirm.Dabei ist es völlig egal, ob man über seinen Komputer auf das Programm zu greifen will, über seine internetfähige Spielkonsole, sein Tablet oder einen internetfähigen Fernseher. Da alles über einen Internet-Account läuft, ist also das Rezeptionsmedium und der Ort egal, so lange Internet zur Verfügung steht

  • Niklas Wieczorek schreibt über Youtube und schwedisches Fernsehen:

    Bis in die 90er Jahre waren private Sender aus Schweden nicht erlaubt: Die Öffentlich-Rechtlichen mussten in keinen Wettstreit treten, machten Programm für traditionelle Zuschauer. Das Resultat ist ein enormer Rückstand, den sie im Hinblick auf die jungen Zielgruppen wett machen müssen. Williams Programm berichtet über das typische Teenagerleben: Liebe, Schule, Partys, erste Erfahrungen mit Alkohol – und die damit verbundenen Peinlichkeiten.

Am 2.10.2012 um 16 Uhr findet die erste Redaktionskonferenz statt, an der jeder gerne teilnehmen kann.

W3C Workshop zu Internet und Fernsehen

Am 8. und 9. Februar kamen 114 Expertinnen und Experten zusammen um im Rahmen des zweiten Workshops der W3C die notwendige Standards für die Verschmelzung der Medien Internet und Fernsehen zu diskutieren und interessante Uses Cases zu erörtern. Für das Institut für Kommunikation in sozialen Medien nahm Jörg Eisfeld-Reschke teil.

Das Protokoll des ersten Tages und des zweiten Tages sind ebenso verfügbar wie die Präsentationen der Referenten.

Ein paar Ergebnisse der Diskussionen möchten wir festhalten:

  • Mittelfristig ist die Fernbedigung nur noch die schlechteste der bekannten Steuerungsmöglichkeiten. Vielmehr wird ein Second Screen, also ein zweites Gerät (z.B. Smartphone oder Tablet), diese Funktion übernehmen.
  • Um eine geräteübergreifende Unterhaltung zu ermöglichen, müssen Inhalte gerätegerecht verfügbar sein. Egal ob es sich um einen TV-Bildschirm, dem Laptop, das Smartphone oder ein Tablet handelt.
  • Der Fernseher fungiert zunehmend als Hub im Home auf dem Daten und Funktionen der verschiedenen Geräte zusammengeführt und gleichzeitig dargestellt werden können.
  • Die Verschmelzung von Web und TV mit all den möglichen Services stellt erhebliche Anforderungen an die Infrastruktur (insbesondere schnelle Datenleitungen), die in Deutschland nicht flächendeckend gegeben sind.

In den kommenden Monaten wird die neu gebildete Interest Group die weitere Diskussion forcieren.

Aufgrund des IT-Hintergrund des W3C ist es nicht verwunderlich, dass die Teilnehmer des Workshops sich vor allem aus Herstellern, Software-Firmen und Vertretern von IPTV-Angeboten zusammensetzten. Nicht vertreten waren Vertreter deutscher Fernsehsender, Inhalte-Anbieter, geschlossener Systeme wie Apple und Google oder Branchenvertreter aus den angrenzenden Medienarten Musik und Film.