Kann man Crowdfunding in der Architektur nutzen? Drei erfolgreiche Beispiele und ein paar allgemeine Überlegungen.
In den letzten Tagen wurde ich dreimal mit der Frage konfrontiert, ob Crowdfunding für Architekten geeignet sei. Zuerst wies mich Wolfgang Gumpelmaier auf ein spannendes Projekt in Rotterdam hin. Dann diskutierte ich mit Johannes beim BQV über die Frage, wie man Crowdfunding für subversive Architekturprojekte in Berlin nutzen könnte. Am Sonntag bei Creative Money unterhielt ich mit Gregor, einem Architekten, über die Frage, ob man für Genossenschaften den Kauf von Grundstücken über Crowdfunding vorfinanzieren könnte.
Architekten sind zwar auch Teil der Kreativwirtschaft, aber kommen wahrscheinlich eher selten in die Situation, auf Crowdfunding-Plattformen zurückgreifen zu müssen, denn das Geschäft mit Immobilien ist eigentlich von Banken relativ gut verstanden – mal abgesehen von den Housing Bubbles in den USA.
Die Vielzahl der Möglichkeiten, ein Bauprojekt als Genossenschaft, in Public-Private-Partnership, durch einen Immobilienfonds oder durch Bankkredite zu finanzieren, sorgt dafür, dass nicht so eine starke Finanzierungslücke entsteht wie in anderen Teilen der Kreativwirtschaft.
Dass es dennoch funktionieren kann, zeigen drei Beispiele:
Horns Erben – wir crowdfunden eine Fassade
Der Verein Horns Erben nutzt die Crowdfunding-Plattform Visionbakery, um etwas über 4000 Euro für die Rekonstruktion der Fassade eines Leipziger Hauses zu crowdfunden. Das Projekt war erfolgreich, obwohl zu diesem Zeitpunkt Crowdfunding noch gar nicht bekannt war.
Da das Gebäude als Veranstaltungsort diente, drehten sich die Prämienpakete auch darum: freien Eintritt oder ein eigen kreierter Cocktail. Aber auch ganz klassisch – wer 1000 Euro gab, wurde in einer goldenen Plakette verewigt.
Leider ist es nicht so einfach, herauszufinden, ob die Fassade renoviert oder nicht. Auf der Facebook-Seite werden die Veranstaltungen angekündigt und auch auf dem Projekt-Blog bei Visionbakery ist seit letzten Jahr nicht mehr viel passiert. Aber das Beispiel zeigt, dass schon kleinere architektonische Projekte einen Erfolg haben können.
Build the Luchtsingel – wir crowdfunden eine Brücke
Rotterdam zählt nicht zu den schönsten Städten Europas. Umso bemerkenswerter ist es, dass mit der Initiative iMakeRotterdam versucht wird, die Innenstadt schöner zu gestalten. Der Luchtsingel ist ein Projekt davon – eine Brücke aus hölzernen Bauelementen, die zwei urbane Zentren der Stadt verbindet.
Das Crowdfunding-Projekt wurde initiiert von einem Rotterdammer Architektenbüro, ist aber Teil des Flächennutzungsplans Rotterdams. Mit einem Volumen ca. 440.000 Euro ist es auch relativ hoch. Die Prämienpakete sind so einfach wie genial: für 25 Euro erhält man seinen Namen auf einer Planke, für 125 Euro ein Bauteil.
Wie man an der Liste der Funder erkennt, haben sich nicht nur Privatpersonen, sondern auch jede Menge Unternehmen überzeugen lassen, eine Planke zu kaufen. Firmen wie der Rotterdamer Hafen sind so auf mehreren Metern der Brücke präsent. Man sieht also, dass Architektur-Projekte durch Crowdfunding erfolgreich sein können, wenn sie auf das Marketingbedürfnis von Unternehmen, aber auch auf das Stadtveränderungsbedürfnis der Bürger zielen.
Pool+ – wir crowdfunden einen Swimmingpool
In Manhattan mangelt es weder an Wasser noch an Swimmingpools, aber vermutlich an guten öffentlichen Swimmingpools. Der Hudson-River kommt als Badeort kaum in Frage, da man dort bekanntermaßen Gefahr schwimmt, dass ein Flugzeug auf dem Kopf landet. Zwei New Yorker Designer überlegten sich dennoch ein Verfahren um aus Flusswasser Badewasser filtern zu können und diese in einen gigantischen Pool-Kreuz auf dem Hudson-River zu platzieren, so dass dort ein öffentlicher Swimming Pool entstehen würde.
Das Kickstarter-Projekt war durchaus erfolgreich: 1200 Unterstützer trugen knapp 40.000 US-Dollar zusammen, mit denen zwar nicht der Pool gebaut wurde, aber die Forschung an dem Material und die Projekterstellung finanziert wurde. Allerdings wären knapp 500.000 Dollar notwendig gewesen, um zumindest einen Prototypen herstellen zu können, dieses Ziel wurde nicht ganz erreicht. Als Prämien wurden daher eher symbolische Werte, d.h. Schwimmausrüstung gegeben, da das Endprodukt nicht der Swimming-Pool selbst war.
Pool+ zeigt, dass auch schon die Projektentwicklung durch Crowdfunding finanziert werden kann – allerdings benötigt man dabei sehr viel Kreativität, um die Crowdfunder emotional zu involvieren.
Crowdfunding für Architekten – nichts ist unmöglich!
Grundsätzlich ist für Architekten, Bauplaner und Stadtplaner möglich, Crowdfunding einzusetzen. Die Kosten eines Projekts sind dabei nicht der entscheidende Punkt, die Frage ist eher, ob es möglich ist, die Finanzierer so emotional zu mobilisieren, dass sie trotz langer Bauzeiträume und nicht-unmittelbaren Prämien ihren Beitrag als relevant empfinden.
Für die meisten klassischen Bau-Projekte wird genau das sehr schwierig: Relevanz, emotionale Zugehörigkeit, Kreativität. Man muss in der Regel einen politischen oder gesellschaftlichen Zweck mit dem Bau verbinden können. Außerdem muss klar sein, dass am Ende des Projekts nicht nur einige wenige davon finanziell profitieren, sondern dass die Allgemeinheit davon etwas hat, auch wenn es ein immaterielles Gut wie eine schöne Fassade ist.
Für die klassischen Bauprojekte scheint das klassische Crowdfunding nicht geeignet, zumindest konnte ich keine guten Beispiele (außerhalb von Charity- oder Film-Projekten – siehe unten) finden. Für diese Projekte eignen sich Crowdlending-Methoden eher. Schon jetzt sieht man auf Kreditmarktplätzen wie smava, das Kredite im fünfstelligen Bereich für private Bauprojekte erfolgreich sein können. Auch auf Finmar, der bald-startenden Crowdlending-Seite, könnten kleinere kommerzielle Bauprojekte einen Platz finden.
Die wirkliche Herausforderung wird aber darin bestehen, Crowdfunding und Crowdsourcing zu kombinieren. Schon jetzt gibt es eine sehr rege Crowdsourcing-Bewegung im Bereich der Architektur. Plattformen und Apps wie OpenBuildings erlauben es, Informationen über Architekturprojekte schnell zu teilen. Ich könnte mir zum Beispiel durchaus vorstellen, dass die Neubebauung des Tempelhofer oder des Tegeler-Flughafens sowohl mittels Crowdsourcing als auch mittels Crowdfunding vorangebracht werden könnten.
Was meint Ihr? Sind Architekten gute Crowdfunder? Wir freuen uns auf Eure Kommentare.
Weitere Quellen: Dailycrowdsource, Inhabitat, Architectureau, Best-Practice-Business-Blog, Crowdsourcing.org
Weitere Crowdfunding-Architektur-Projekte: Agri-Tecture, NosaraPhoto by xiffy
Ach ja, das ist mir auch noch eingefallen: Museum Cultural & Community Center http://www.kickstarter.com/projects/1559061516/museum-cultural-and-community-center
Yeah, Rotterdam ist in der Tat eine der schönsten Städte Europas! Daher wünsche ich der Initiative iMakeRotterdam auch das allerbeste, dass die City noch schoener wird ….
Liebe Grüße aus Berlin. Crowdfunding in der Architektur muss nicht immer mit Gebautem zu tun haben. Zurzeit versuche ich über eine Crowdfunding Kampagne Geld zusammenzubekommen für eine Untersuchung im Bereich Architekturgeschichte. Mein Spezialgebiet ist im Moment der Architekt Andrea Palladio. Es gibt kein gesichertes Porträt. Aber ich meine, dass ein Bild von El Greco den Architekten zeigt. Mit modernen Methoden könnte man das Bild untersuchen und mit einem anderen, ihm zugeschriebenen in der Identität prüfen. Dann würde der berühmte Mann endlich ein Gesicht bekommen.
Das wäre doch für viele Architekturbegeisterte schön.