Slacktivism und Clicktivism – politische Beteiligung mit einem Klick?!

Im Internet ist es einfach sich zu vernetzten, Informationen schnell und weltweit zu verbreiten. Mit einem Klick werden Sternchen verteilt oder Daumen nach oben gedrückt. Je mehr Klicks, desto größer die Bekanntheit und der Einfluss.

Clicktivism wird diese neue Art der politischen Beteiligung im Fachjargon genannt, mit der man sich vom Computer aus mit wenigen Klicks bequem engagiert. Bestrebt danach solche Klicks zu sammeln sind insbesondere solche Organisationen, die sich politisch einsetzen, Unterstützung suchen oder Kampagnen starten. Denn je mehr Klicks sie erhalten, desto größer der digitale Wirkungsgrad.

Wenn dieser Wirkungsgrad über die Grenzen der digitalen in die analoge Welt hinausgeht, nennt man das Slacktivism. Der Begriff Slacktivism setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „slacker“ für „Faulenzer“ und „activism“ für “Aktivismus”. Dass diese Beteiligung niedrigschwellig ist, drückt sich besonders im Widerspruch der zusammengesetzten Wörter aus. Das Engagement bei Slacktivism ist meist symbolisch.

Kony 2012

Seit dem 5. März diesen Jahres wird ein Video viral im Internet verbreitetet: Kony 2012. Das Video schaffte es, innerhalb von sechs Tagen mehr als 100 Millionen Mal aufgerufen zu werden. Es gibt kein anderes Video im Internet, das sich jemals so schnell verbreitet hat. Die US- amerikanische Organisation Invisible Children hat die weltweite Kampagne gestartet. Ziel ist, den ugandischen Rebellenführer und Kriegsverbrecher Joseph Kony bekannt zu machen und ihn noch in 2012 festzunehmen.

In dem 30-minütigen Film ruft die Organisation dazu auf, bei der Aktion „Cover the night“ teilzunehmen: In der Nacht vom 20. auf den 21. April 2012 sollten alle Unterstützer der Kampagne ihre Städte mit Plakaten oder Ähnlichem schmücken, um der Bevölkerung Joseph Kony bekannt zu machen und ihr Interesse an der Kampagne zu wecken. Allerdings konnte in Deutschland “Cover the night” keinen nenneswerten Erfolg erzielen. Auch in den USA erreichte die Aktion nicht die erhoffte Resonanz, besonders in der Presse.

Die Kony2012 Kampagne ist ein typisches Beispiel für Slacktivism, weil hier neben der niedrigschwelligen online Beteiligung (Verbreitung des Videos, Unterzeichung der Petition) auch in der realen Welt zu Aktion aufgerufen wurde (Tragen des Armbändchens, „Cover the night“ Aktion).

Flashmob auf Facebook

Wenn politischer Aktivismus nur im Internet stattfindet, dann wird dies mit dem Begriff Clicktivism beschrieben. Beteiligung mit einem Mausklick. Ein Beispiel hierfür ist der digitale Flashmob für die Abschaltung einer NPD-Facebookseite. Im April 2012 verbreitete sich ein Aufruf, die Facebook-Seite der NPD zu sperren. Facebook-Nutzer sollten massenweise die Seite der NPD bei den Betreibern von Facebook zu melden, da sie „Hassreden“ enthalte. Viral verbreitete sich die Anleitung zum Melden auf den Pinnwänden der Unterstützer. Auch via Twitter wurde zur Teilnahme am Facebook-Flashmob aufgerufen.

Die Seite der NPD war tatsächlich zwischenzeitlich nicht mehr aufrufbar und die Facebookgemeinde feierte bereits ihren Erfolg. Allerdings war die Seite einige Stunden später bereits wieder online. Anscheinend hatte sich die Betreiber der NPD-Seite dazu entschlossen, sie kurzzeitig vom Netz zu nehmen.

Auch die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt Clicktivism: In einer aktuellen Broschüre rufen sie dazu auf, rechtsextreme Seiten, Nutzer und Kommentare auf Facebook zu melden.

Vom faulen zum politischen Aktivismus?

Was kann man also mit Slacktivism oder Clicktivism erreichen? Oder besser: Was kann man nicht erreichen? Die Antwort dazu hat der amerikanische Journalist und Aktivist Micah M. White: „Clicktivism will never breed social revolution”, also Clicktivism werde niemals eine soziale Revolution entfachen. Eine Revolution entsteht nur, wenn der Aktionismus sich in die reale Welt überträgt und sich von seiner “Faulheit” löst.

Die Kritik an Clictivism ist denkbar einfach, aber auch nicht von der Hand zu weisen: Um sich als Clictivist zu engagieren, bedarf es zunächst keiner großen körperlichen oder geistigen Anstrengung. Wenige Klicks genügen, um etwa bei Facebook die Sperrung einer Seite zu verlangen oder ein Video zu teilen. Fraglich ist, ob und wie informiert und reflektiert die Clicktivisten agieren. Wie viele Betrachter des Films Kony2012, haben sich beispielsweise eigenständig über die Zustände in Uganda und Joseph Kony informiert, bevor sie das Video verbreiteten? Handelt es sich noch um faulen oder schon um politischen Aktivismus?

Invisible Children und die Macher des Videos forderten die Betrachter des Videos auf selbst aktiv zu werden: Die Teilnahme an einer Petition, das Verbreiten des Films und Kampagnen-Materials bei der “Cover the Night Aktion” und spenden waren einige der Engagementangebote. Darüber hinaus sollten einflussreiche Politiker und Prominente über soziale Medien aufgefordert werden, sich zu der Kony2012-Kampagne zu bekennen.

Es gibt natürlich nichts dagegen einzuwenden, sich politisch im Internet zu engagieren. Aber man muss sich immer fragen, wie effektiv der eigene Aktionismus ist. Denn das größte Problem bei Slacktivism und Clicktivism ist, dass dabei das Gefühl vermittelt wird, sich für eine gute Sache eingesetzt zu haben und das Gewissen beruhigt wird. Dabei hat man im Grunde noch gar nichts selber bewegt. Erst, wenn man sich mit einem Thema geistig auseinandersetzt, beginnt politischer Aktionismus. “Clicktivism is to activism as McDonalds is to a slow-cooked meal. It may look like food, but the lifegiving nutrients are long gone.” sagt dazu Micah M. White: Clicktivism verhielte sich zu Aktionismus wie McDonalds zu einem langsam gekochten Essen. Es sehe aus wie welches, allerdings seien die lebensgebenden Nährstoffen schon längst verschwunden. Und die sind essentiell, schließlich soll es doch im Offline-Leben „Klick“ machen.

Dieses Werk bzw. dieser Inhalt von Leonie Geiger und Jörg Eisfeld-Reschke steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de. Es wurde zuerst im Blog von youthpart veröffentlicht.Photo by CitySkylineSouvenir