Die KasselAssel-KinderreporterInnen: Öffentlichkeit für die Interessen junger Menschen

Um ihre Mitspracherechte wahrnehmen zu können, brauchen Kinder und Jugendliche Öffentlichkeit für ihre Interessen. Im nordhessischen Kassel haben Studenten ein Projekt initiiert, das jungen Menschen ermöglicht, ihre Ideen in die kommunalpolitische Debatte einzubringen: die „KasselAssel-KinderreporterInnen“. Diese berichten seit 2010 im Netz über aktuelle Ereignisse in ihrer Stadt und stellen Wünsche und Forderungen an die Politik.

Kassel-Assel-Kinderreporterinnen der Amos-Comenius-Schule Kassel
interviewen Stadtbaurat Christof Nolda zu Schlaglöchern auf Kasseler Straßen.                        
Foto: Die Kopiloten e.V.
 

„Liebe Stadt Kassel, bitte kümmern Sie sich um die Schlaglöcher, damit kein weiterer Schaden entsteht.“ Lässt man Kinder und Jugendliche zu Wort kommen, dann haben sie sehr konkrete Forderungen. Sie demonstrieren gegen die Schließung ihrer Skatehalle, fragen nach einer Tischtennisplatte für den Schulhof oder eben nach der Reparatur der Schlaglöcher vor ihrer Schule. Netzbasierte Medien können ihnen helfen, ihre Interessen zu kommunizieren, wie das Projekt „KasselAssel-KinderreportInnen“ zeigt.

Alternative Öffentlichkeit für junge Menschen schaffen

Die Idee zu einer Internetplattform für Kinder und Jugendliche hat ihren Ursprung in einer Projektgruppe der Universität Kassel. 2010 stellten sich Studenten verschiedener Fachrichtungen die Frage, wie Kinder und Jugendliche Öffentlichkeit für ihre Interessen herstellen können und riefen daraufhin „KasselAssel-KinderreporerInnen“ ins Leben. Nach der erfolgreichen Umsetzung eines Pilotprojektes gründeten die Studenten „Die Kopiloten e.V. – Politische Bildung im kommunalen Raum“, um „KasselAssel“ zu verstetigen und ihm dauerhaft einen Trägerverein an die Seite zu stellen.

Drei Ziele verfolgen die Initiatoren mit dem Projekt: Zum Einen mangelt es im stadt- und kommunalpolitischen Bereich oft an kindgerechten Informationen, die einen Bezug zur Lebenswelt junger Menschen herstellen. Deshalb soll die Plattform Kindern und Jugendlichen als Informationsquelle über aktuelle Ereignisse in ihrem Umfeld dienen. Zum Anderen will man jungen Menschen ermöglichen, über ihr eigenes (Schul-) Umfeld hinaus miteinander in Kontakt zu kommen und sich über politische Ereignisse auszutauschen. Darüber hinaus soll „KasselAssel“ ein Sprachrohr für die Belange von jungen Menschen sein, das ihnen hilft, ihre Bedürfnisse gegenüber der Politik und Gesellschaft zu kommunizieren.

„Wir wollen eine alternative Öffentlichkeit für junge Menschen im Netz schaffen“, sagt Oliver Emde und betont dabei besonders den Aspekt der unvermittelten Kommunikation: „Alternative Medienproduktion ist ja auch immer davon geprägt, dass die monodirektionale Kommunikation aufgebrochen wird und man nicht nur Konsument, sondern auch Produzent der eigenen Medien wird.“ Das lässt sich mit einer netzbasierten Plattform vergleichsweise einfach realisieren und ist vor allem mit wenig Kosten verbunden, wie er sagt: „Junge Menschen haben in der Regel keine finanziellen Mittel, um ihre Agenda an die Oberfläche zu bringen.“

Verwaiste Sportplätze und geschlossene Schulhöfe

Um sich Gehör zu verschaffen, bitten die KasselAssel-ReporterInnen immer wieder die Vertreter der zuständigen Behörden um Stellungnahmen und führen Interviews mit lokalen Politikern. Welche Themen die KinderreporterInnen dabei bewegen, zeigen sie auf www.kasselassel.de.  Eine Gruppe von Schülern widmete sich zum Beispiel den öffentlichen Sportplätzen in ihrer Stadt. Abgeschlossene Fußballplätze und kaputte Tore nahmen sie zum Anlass, ein Video zu produzieren und den schlechten Zustand der Freizeitanlagen in Kassel zu dokumentieren. Im Zuge dessen stellte sich ihnen auch die Frage, warum sie ihre Schulhöfe nicht für ihre Freizeitaktivitäten nutzen können. Trotz offiziellem Erlass, dass alle Schulhöfe in Kassel auch nach dem Unterricht geöffnet sein müssen, sind diese de facto überwiegend verschlossen. Oliver Emde beobachtet hier eine wichtige Entwicklung: „Jugendliche fordern für sich hier zusätzliche öffentliche Räume ein, die bisher nicht begehbar sind.“

Ein anderes Team der KasselAssel-Reporter zog anlässlich der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung 2011 aus, um die Menschen hinter dieser Institution kennenzulernen und Motivation und Ziele der kommunalpolitischen Akteure zu erfragen. Knapp 60 Siebtklässler interviewten die Stadtverordneten und stellten die Videos anschließend auch für andere Jugendliche online. Die Auseinandersetzung mit der Stadt- und Kommunalpolitik ist ein wichtiger Bestandteil des Projektes. Neben der aktuellen Berichterstattung werden Informationen über die kommunalpolitischen Institutionen und ihre Akteure von den KinderreporterInnen medial aufbereitet und in anschaulichen Web-Formaten bereitgestellt.

Sehen – Beurteilen – Handeln

Die Befähigung junger Menschen zur  Artikulation und Durchsetzung ihrer eigenen Interessen ist durchaus voraussetzungsvoll und bedarf mehr als nur der Bereitstellung einer Kommunikationsplattform. Dahingehend entwickelt das studentische Team in Seminaren Projekt- und Unterrichtseinheiten, in denen die Entwicklung verschiedener Kompetenzen gefördert werden sollen. Dieses Angebot richtet sich sowohl an Schulen als auch an außerschulische Bildungsträger und wurde in den letzten zwei Jahren mit zahlreichen Schulklassen und Projektgruppen in Kassel verwirklicht.

Drei konkrete Anliegen verfolgen die Initiatoren von „KasselAssel“ mit ihrem Engagement: „Wir versuchen zunächst Analysekompetenzen zu fördern und für das eigene Umfeld zu sensibilisieren“, sagt Oliver Emde, Mitinitiator des Projektes. Daran anknüpfend wollen sie das Urteilsvermögen junger Menschen stärken und mit Schülerinnen und Schülern Kategorien  entwickeln, mit denen politische Ereignisse eingeordnet werden können. Und schließlich sei es das Ziel, konkrete Handlungskompetenzen zu vermitteln, junge Menschen mit dem Wissen und den Fähigkeiten auszustatten, wie sie Einfluss auf Entscheidungen nehmen können, sagt Oliver Emde: „Wenn SchülerInnen zum Beispiel die Idee haben, eine Demonstration für den Bau eines neuen Spielplatzes zu veranstalten, dann muss man ihnen eben diese organisatorischen Kompetenzen vermitteln.“

Vermittlung zwischen Stadt, Schule und Universität

Mit der Unterstützung von Prof. Dr. Bernd Overwien wurde auch die universitäre Anbindung verstetigt und das Projekt in Seminare des Fachgebietes Didaktik der politischen Bildung an der Universität Kassel eingebettet. Ihrem Selbstverständnis nach versteht sich das Team von Die Kopiloten e.V.  auch als Vermittler zwischen Universität, Stadt und Schule, der theoretische Ansätze mit praktischer politischer Bildung verbindet und dadurch wichtigen Erfahrungsaustausch zwischen Studierenden, Schülern, Lehrern und Kommunalpolitikern initiiert. Die thematischen Schwerpunkte des Vereins sind Bildung für nachhaltige Entwicklung und politische Partizipation. Neben „KasselAssel“ realisiert der Verein mittlerweile weitere netzbasierte Aktionen, u.a. das medienpädagogische Projekt „Kassel ist schön“ und das Projekt „Konsumkritischer Stadtrundgang“.

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Dieser Bericht wurde im Rahmen des Projektes youthpart erstellt und zuerst bei  Dialog Internet veröffentlicht. Diese Werk bzw. dieser Inhalt von Lisa Peyer (ikosom) steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/