OpenScience – was machen wir draus?

Vor fast einem Jahr haben wir hier im Blog „ikosom goes OpenSience“ angekündigt. Damals schrieben Karsten Wenzlaff und ich folgendes:

Wir sind davon überzeugt, dass OpenScience sehr viel mehr ist als OpenAccess und OpenData. Es geht darum die Kultur und Haltung von Wissenschaft zu verändern. Interessierte sollen zu Mitforschern und Beteiligten gemacht werden. Ergebnisse müssen verständlich aufbereitet werden – nicht “nur” für die Wissenschaft, sondern für die Gesellschaft.

Im Jahr 2012 wollten wir uns noch mehr informieren, austauschen und planen rund um das Themenfeld OpenScience. Unsere Vorsätze für 2013 waren groß:

Wir werden im Jahr 2013 das gesamte Institut nach dem Prinzip OpenScience führen. Die Herausforderung dabei ist, dass wir damit neue Wege beschreiten. Es gibt zwar einzelne Projekte, die dem OpenScience-Ansatz folgen, aber wir möchten alle unsere internen und öffentlichen Prozesse dokumentieren und öffnen. Wie genau? Das wissen wir noch nicht.

In den folgenden Monaten haben wir sehr viel hilfreiches und positives Feedback erhalten (u.a. in den Kommentaren des Beitrages). Wir haben viele interessante Menschen kennengelernt, die unsere Haltung und Idee teilen. Aus unserem damaligen Aufschlag hat sich einiges entwickelt.
Aber machen wir wirklich schon „OpenScience“?!


Wir stellen fest, dass wir bis heute keine gemeinsame Arbeitsdefinition für OpenScience bei ikosom. Wir nutzen viele Gelegenheiten zum Diskutieren und versuchen zu begreifen, auch uns selbst begreifbar zu machen, was eine umfassende Open-Haltung für ikosom bedeutet und wie sie sich in Handlungen manifestieren soll. Die Meta-Definitionen sind inspirierend, aber für den Alltag helfen sie uns wenig.

Was wir versucht haben:
Einfach machen.

Ohne ein Korsett an Regeln oder Verfahren haben wir stellenweise versucht dem Open-Gedanken Leben einzuhauchen. Wir haben halboffene Peer-Review-Verfahren für Kapitel des Crowdsourcing Report und den Leitfaden JugendBarCamp durchgeführt, geschäftliche RichtungsEntscheidungen diskutiert, die Konzeption eines Uni-Seminars,  den Ansatz auch in andere Sphären getragen, Studien unter CC-BY veröffentlicht, den Ideenentwicklung eines Buchbeitrages im Blog geöffnet, uns im Crowdsourcing von Projektsammlungen versucht, unsere Teamfortbildungen für Externe geöffnet, unser Wissenschafts-Verständnis hinterfragt und unsere Wissen schaffende Zusammenarbeit reflektiert.

Kommentare und Reaktionen auf unsere Ansätze sind sehr unterschiedlich. Zu keinem Zeitpunkt allerdings waren der Andrang und die Reaktionen so groß, dass sie uns zeitlich überfordert hätten. Eher haben wir festgestellt, dass wir an eigene Grenzen stoßen: Zeitlich oder weil das Bloggen mitunter eine Überwindung ist.

Was wir vorhaben:
Einfach machen.

Unser altes Ziel, „alle unsere internen und öffentlichen Prozesse dokumentieren und öffnen“, werden wir so wohl nicht beibehalten. Das ist ein Ideal, dass uns als Vision inspiriert, aber wir so nicht umzusetzen schaffen. Auch stoßen wir an rechtliche Grenzen, wenn uns Auftraggeber auf Stillschweigen verpflichten und wir das zulassen.

Unsere aktuellen Überlegungen gehen dahin nicht mehr vom großen OpenScience-Wurf zu sprechen, sondern die Idee in kleineren Stücken zu denken. Nicht alle unsere Projekte sind hochwissenschaftlich – wie können wir diese öffnen?

In den vergangenen Wochen sind mehrere Anträge und Angebote nicht erfolgreich. Dies nahmen wir zum Anlass darüber nachzudenken, inwieweit wir unser Scheitern öffentlich machen können und sollten. David hat den Spieß einfach umgedreht und als wir noch diskutierten, hat er angefangen seine Idee für einen Projektantrag einfach schon vor der Antragstellung zu öffnen. Für diese Ideen ist der Begriff OpenConcept vielleicht noch treffender als OpenScience.

Aber wo soll man anfangen?

In unserem wöchentlichen Teammeeting haben wir überlegt, in welchen Phasen eines (Forschungs-)Projektes der Open-Ansatz Anwendung finden kann:

  • Ideenfindung/Forschungsfrage
  • Konzeption/Finanzierung/Antrag
  • Forschungs- und Studiendesign
  • Durchführung/Reflexion
  • Ergebnisse
  • Nachbetrachtung/Evaluation
  • Abrechnung

Also grundsätzlich geht es immer.
Bleibt noch eine andere Frage zu klären: Wann ist ein Projekt relevant genug für OpenScience? Bei „komplexen“ Forschungsprojekten fällt uns die Planung am leichtesten, aber wie schaut es aus mit „einfachen“ Artikeln und Vorträgen? Für Vorträge immerhin haben wir schon ein recht einheitliches Procedere: einen ersten Blog-Beitrag zur Ankündigung und einen zweiten mit dem Foliensatz (auf Slideshare) und einer Reflexion.

tl;dr

Wie Open ist ikosom und wie Open sollte es sein? Wir wissen es nicht. Aber damit wissen wir uns in bester Gesellschaft. Bei Euch. Wir freuen uns über Anregungen, Diskussionen, Kritik und Lob – ihr seid, die uns helfen den Open-Ansatz mit Leben zu füllen. Danke dafür und weiter so!

4 Replies

  • Ich stimme Dir bei vielem zu, aber habe zu einem Punkt eine andere Meinung. Ich glaube nicht, dass es unmöglich oder zeitlich nicht zu schaffen ist, ALLE Institutsprozesse zu öffnen.

    Stell Dir vor, wir wären gesetzlich gezwungen, jeden einzigen Buchhaltungsvorgang zu veröffentlichen? Stell Dir vor, wir wären gesetzlich gezwungen, von jedem unserer Publikationen eine öffentliche Kopie bei der Nationalbibliothek zu hinterlegen, die kostenfrei von jedem einsehbar wäre? Stell Dir vor, GoogleDocs wären komplett wie ein Etherpad offen solange man den Link kennt – würden wir irgendetwas anders machen? Ich glaube nicht. Wir hätten nichts zu verbergen.

    Die Tatsache, dass wir noch nicht alles offen legen, ist vor allem ein Zeitproblem. Und ein Problem fehlender Infrastruktur der Archivierung. Und ein Problem dessen, dass Wissenschaft, aber auch jede sonstige Berufstätigkeit, erstmal im Verborgenen stattfindet: Gehälter werden nicht verraten, Verträge bleiben geheim und vieles mehr. Wenn die Gesellschaft jeden zur Offenheit zwingen würde, dann würde uns das nicht so schwer fallen.

    Danke aber dass Du mal so systematisch alle unsere bisherigen Bemühungen verlinkt hast, ist mir gar nicht aufgefallen, wieviel OpenScience wir jetzt schon machen.

  • hallo Jörg,

    ich finde „open“ total super und glaube daran, dass es unglaublich viel Potenzial hat. Aber es bedeutet auch viel Arbeit. Denn Transparenz zu schaffen bedeutet nicht ein Dokument in egal welcher Form abzulegen, sondern es den eigenen Ansprüchen gerecht öffentlich zu machen und die Crowd (eine Interessensgemeinschaft) zur Beteiligung einzuladen und zu motivieren. Solange da wenig zurückkommt, kann das frustrieren. Dafür freut es umso mehr, wenn der Geist vieler Diskussionen beflügeln, Konzepte verbessern und die Wirkung von Projekten steigern.

    Super dass wir open diskutieren. Noch besser, dass wir – noch etwas unsicher, aber doch – schon opene Taten folgen lassen.

    Disktutiert mit, wie open es weitergehen soll …

  • Danke für den Beitrag. Mir war auch nicht bewusst, welche unserer Projekte schon „Open Science“ waren.

    Wie ich aber auch schon gestern auf G+ angemerkt habe, könnten wir den geplanten Themenbereich „Kinder und digitale Medien“ bereits in der Recherchephase OPEN machen. Was meint ihr dazu?

  • Guter Beitrag von Sascha Lobo zum Thema in seiner Kolumne:

    „Beispiele für Schwarmprojekte, digital wie nichtdigital, lassen einen simplen Schluss zu. Es braucht Taktgeber (Christoph Alexander), die geeignete Technologie (Rasen) und die richtige Verfahrensweise (Desire Lines), um aus dem Schwarm die durchaus großartige Qualität herauszuwringen … Schwarmintelligenz ist keine personenhafte Intelligenz, die eigentliche Schwarmqualität ist vernetzte Kollaboration.“

    Link zum Text: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-missverstaendnis-schwarmintelligenz-a-891986.html

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